In diesem Ratgeberartikel klärt Rechtsanwalt Landucci umfassend und verständlich über die Zugewinngemeinschaft auf. Sie erfahren, was unter dem gesetzlichen Güterstand von Ehegatten zu verstehen ist, wie das Vermögen bei einer Scheidung aufgeteilt wird und welche Rechte und Pflichten damit verbunden sind.
Was ist die Zugewinngemeinschaft?
Definition und gesetzliche Grundlagen
Die Zugewinngemeinschaft (BGB § 1363) ist der gesetzliche Güterstand, der automatisch gilt, wenn Ehegatten keinen Ehevertrag schließen. Sie regelt, wie das Vermögen der Ehepartner während der Ehe und im Falle einer Scheidung aufgeteilt wird.
Im Kern bedeutet die Zugewinngemeinschaft, dass das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen beider Partner im Falle einer Scheidung gleichmäßig aufgeteilt wird. Jeder Ehepartner behält jedoch sein eigenes Anfangsvermögen, also das Vermögen, das er in die Ehe eingebracht hat.
Auch Vermögen, das während der Ehe durch Erbschaften oder Schenkungen erworben wurde, wird in der Regel nicht berücksichtigt. Erst der sogenannte Zugewinn, also der Wertzuwachs während der Ehe, wird ausgeglichen.
Unterschiede zu anderen Güterständen
Gütertrennung
Bei der Gütertrennung bleibt das Vermögen der Ehepartner vollständig getrennt, sowohl während der Ehe als auch im Falle einer Scheidung. Es findet kein Zugewinnausgleich statt. Jeder Ehepartner behält sein Vermögen. Die Gütertrennung muss durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag vereinbart werden.
Gütergemeinschaft
Die Gütergemeinschaft ist ein eher selten gewählter Güterstand, bei dem das gesamte Vermögen der Ehepartner gemeinschaftliches Eigentum beider Partner wird. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie persönliche Gegenstände oder Vermögen, das ausdrücklich als getrennt vereinbart wurde. Im Falle einer Scheidung wird das gemeinschaftliche Vermögen aufgeteilt. Auch die Gütergemeinschaft muss grundsätzlich durch einen notariellen Ehevertrag vereinbart werden.
Wie funktioniert die Zugewinngemeinschaft?
Beginn und Ende der Zugewinngemeinschaft
Die Zugewinngemeinschaft beginnt automatisch mit der Eheschließung, wenn die Ehepartner keinen anderen Güterstand durch einen notariellen Ehevertrag vereinbaren. Sie endet durch den Tod eines Ehepartners, durch eine notarielle Vereinbarung eines anderen Güterstands oder durch die Scheidung.
Wie wird der Zugewinn berechnet?
Der Zugewinn wird in zwei Schritten berechnet:
Zuerst ermittelt man das Anfangs- und Endvermögen jedes Ehepartners, dann wird der Zugewinn berechnet.
- Anfangsvermögen: Das Vermögen, das jeder Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung hatte. Dazu gehören grundsätzlich alle Vermögenswerte wie Immobilien, Bargeld, Immobilien, Fahrzeuge und persönliche Besitztümer. Schulden werden grundsätzlich abgezogen.
- Endvermögen: Das Vermögen, das jeder Ehepartner zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags besitzt. Auch hier werden grundsätzlich alle Vermögenswerte und Schulden berücksichtigt.
Der Zugewinn eines Ehepartners ist die Differenz zwischen dem Endvermögen und dem Anfangsvermögen.
Beispiel:
- Anfangsvermögen: 10.000 Euro
- Endvermögen: 50.000 Euro
- Zugewinn: 40.000 Euro
Der Zugewinnausgleich erfolgt, indem der Partner mit dem höheren Zugewinn die Hälfte der Differenz beider Zugewinne an den anderen Partner zahlt. Angenommen, ein Ehepartner hat einen Zugewinn von 40.000 Euro und der andere von 20.000 Euro, dann beträgt die Differenz 20.000 Euro. Der Partner mit dem höheren Zugewinn zahlt dem anderen 10.000 Euro.
Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Trennungsvermögen zu berücksichtigen sein kann. Dies ist beispielsweise wichtig, wenn illoyale Vermögensverschiebungen im Raum stehen, die dazu dienen können, das Endvermögen in unrechtmäßiger Art und Weise zu reduzieren.
Der Stichtag des Trennungsvermögen, also der Tag der Trennung, soll dann als eine Art Kontrollstichtag Klarheit schaffen, ob das Endvermögen nicht absichtlich reduziert wurde.
Zugewinnausgleich bei Scheidung
Grundprinzipien des Zugewinnausgleichs
Der Zugewinnausgleich sorgt dafür, dass der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs fair zwischen den Ehepartnern aufgeteilt wird. Das Prinzip basiert auf der Annahme, dass beide Partner gleichermaßen zum Vermögensaufbau beigetragen haben, unabhängig von ihrem individuellen Einkommen oder Vermögen.
Der Zugewinn jedes Ehepartners wird berechnet und die Differenz zwischen den Zugewinnen wird ausgeglichen. Der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn muss dem anderen Partner die Hälfte der Differenz auszahlen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Berechnung des Zugewinnausgleichs
- Ermittlung des Anfangsvermögens:
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- Bestimmen Sie das Vermögen, das jeder Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung hatte.
- Ziehen Sie eventuelle Schulden ab, um das Anfangsvermögen zu berechnen.
- Ermittlung des Endvermögens:
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- Erfassen Sie das Vermögen jedes Ehepartners zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags.
- Ziehen Sie auch hier eventuelle Schulden ab, um das Endvermögen zu berechnen.
- Berechnung des Zugewinns:
-
- Subtrahieren Sie das Anfangsvermögen vom Endvermögen für jeden Ehepartner.
- Beispiel:
- Anfangsvermögen: 10.000 Euro
- Endvermögen: 50.000 Euro
- Zugewinn: 40.000 Euro
- Vergleich der Zugewinne:
-
- Vergleichen Sie die Zugewinne beider Ehepartner.
- Beispiel:
- Ehepartner A: 40.000 Euro Zugewinn
- Ehepartner B: 20.000 Euro Zugewinn
- Berechnung der Ausgleichszahlung:
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- Ermitteln Sie die Differenz zwischen den Zugewinnen.
- Beispiel:
- Differenz: 40.000 Euro – 20.000 Euro = 20.000 Euro
- Der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz an den anderen Partner zahlen.
- Ausgleichszahlung: 20.000 Euro / 2 = 10.000 Euro
Diese Schritte gewährleisten eine gerechte Vermögensaufteilung im Falle einer Scheidung und reflektieren den Beitrag beider Ehepartner zum gemeinsamen Vermögensaufbau während der Ehe.
Besondere Vermögenswerte und deren Behandlung
Erbschaften und Schenkungen
Erbschaften und Schenkungen sind besondere Vermögenswerte, die in der Zugewinngemeinschaft eine spezielle Behandlung erfahren. Sie zählen grundsätzlich nicht zum Zugewinn, da sie dem Empfänger persönlich zugewendet wurden.
- Erbschaften: Vermögen, das ein Ehepartner während der Ehe durch Erbschaft erhält, wird nicht dem Zugewinn zugerechnet. Es wird beim Anfangsvermögen berücksichtigt.
- Schenkungen: Ebenso zählen Schenkungen, die ein Ehepartner während der Ehe erhält, nicht zum Zugewinn. Sie werden ebenfalls beim Anfangsvermögen berücksichtigt.
Vorzeitige Zuwendungen und deren Auswirkungen
Vorzeitige Zuwendungen, auch bekannt als „vorweggenommene Erbfolge“, sind Vermögensübertragungen, die ein Ehepartner bereits zu Lebzeiten von seinen Eltern oder anderen Verwandten erhält. Diese Zuwendungen können den Zugewinn beeinflussen, wenn sie während der Ehe genutzt werden.
- Vermögensübertragungen während der Ehe: Wenn ein Ehepartner während der Ehe Vermögen von Dritten erhält, zählt dies nicht als Zugewinn, sofern es sich um eine Schenkung oder Erbschaft handelt.
- Einfluss auf den Zugewinn: Wird eine vorzeitige Zuwendung genutzt, um Vermögenswerte zu erwerben oder bestehende Werte zu erhöhen, kann der daraus resultierende Vermögenszuwachs als Zugewinn betrachtet werden.
Beispiel: Ein Ehepartner erhält von seinen Eltern eine vorzeitige Erbschaft in Form von Bargeld. Dieses Bargeld zählt nicht zum Zugewinn. Wenn das Bargeld jedoch genutzt wird, um eine Immobilie zu kaufen, und die Immobilie während der Ehe eine Wertsteigerung erfährt, kann die Wertsteigerung als Zugewinn betrachtet werden.
Durch die klare Regelung dieser besonderen Vermögenswerte wird sichergestellt, dass persönliche Zuwendungen und Erbschaften den Zugewinnausgleich nicht verzerren und fair behandelt werden.
Fallbeispiele aus der Praxis
Beispiel 1: Die Zugewinngemeinschaft bei einem Hauskauf
Anna und Peter heiraten und kaufen gemeinsam ein Haus im Wert von 300.000 Euro. Beide investieren je 50.000 Euro aus ihrem eigenen Vermögen, den Rest finanzieren sie über einen Kredit.
- Anfangsvermögen: Beide haben jeweils 50.000 Euro in die Ehe eingebracht.
- Endvermögen: Zum Zeitpunkt der Scheidung ist das Haus auf 400.000 Euro gestiegen und der Kredit auf 150.000 Euro gesunken. Ihr Endvermögen beträgt 250.000 Euro (400.000 Euro – 150.000 Euro).
Der Zugewinn wird wie folgt berechnet:
- Anfangsvermögen beider Partner: 50.000 Euro
- Endvermögen beider Partner: 250.000 Euro
- Zugewinn beider Partner: 200.000 Euro (250.000 Euro – 50.000 Euro)
Da beide Partner gleich viel zum Erwerb des Hauses beigetragen haben und der Zugewinn identisch ist, erfolgt kein Zugewinnausgleich.
Beispiel 2: Selbständigkeit und Zugewinngemeinschaft
Thomas ist selbständig und betreibt ein erfolgreiches Geschäft, als er Julia heiratet. Zum Zeitpunkt der Eheschließung hat sein Geschäft einen Wert von 100.000 Euro. Während der Ehe wächst das Geschäft und hat bei der Scheidung einen Wert von 300.000 Euro.
- Anfangsvermögen: 100.000 Euro
- Endvermögen: 300.000 Euro
- Zugewinn: 200.000 Euro (300.000 Euro – 100.000 Euro)
Julia arbeitet als Angestellte und hat keinen nennenswerten Vermögenszuwachs während der Ehe.
- Anfangsvermögen: 0 Euro
- Endvermögen: 0 Euro
- Zugewinn: 0 Euro
Thomas muss Julia 100.000 Euro zahlen, da der Zugewinnausgleich die Hälfte der Differenz zwischen den Zugewinnen beträgt (200.000 Euro / 2 = 100.000 Euro).
Beispiel 3: Erbschaften während der Ehe
Katrin erbt während ihrer Ehe 50.000 Euro von ihrer Großmutter. Dieses Geld investiert sie in Aktien, die zum Zeitpunkt der Scheidung einen Wert von 80.000 Euro haben.
- Anfangsvermögen: 0 Euro
- Endvermögen: 80.000 Euro
- Erbschaft: 50.000 Euro (bleibt im Anfangsvermögen)
Katrins Zugewinn wird wie folgt berechnet:
- Zugewinn: 30.000 Euro (80.000 Euro – 50.000 Euro Erbschaft)
Ihr Ehemann Martin hat keinen nennenswerten Vermögenszuwachs während der Ehe.
- Anfangsvermögen: 0 Euro
- Endvermögen: 0 Euro
- Zugewinn: 0 Euro
Katrin muss Martin 15.000 Euro zahlen, da der Zugewinnausgleich die Hälfte der Differenz zwischen den Zugewinnen beträgt (30.000 Euro / 2 = 15.000 Euro).
Häufig gestellte Fragen zur Zugewinngemeinschaft
Was passiert mit Schulden?
In der Zugewinngemeinschaft werden Schulden ebenso wie Vermögenswerte berücksichtigt. Schulden, die ein Ehepartner bei der Eheschließung hatte, werden vom Anfangsvermögen abgezogen. Ebenso werden Schulden, die zum Zeitpunkt der Zustellung der Scheidung bestehen, vom Endvermögen abgezogen. Dadurch mindern diese Schulden in der Regel den Zugewinn eines Ehepartners. Grundsätzlich haftet jeder Ehepartner für seine eigenen Schulden, es sei denn, es handelt sich um gemeinsam aufgenommene Verbindlichkeiten.
Kann die Zugewinngemeinschaft im Ehevertrag ausgeschlossen werden?
Ja, die Zugewinngemeinschaft kann durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag ausgeschlossen werden. Ehepartner können einen anderen Güterstand wie die Gütertrennung oder die Gütergemeinschaft oder auch die modifizierte Zugewinngemeinschaft wählen.
Im letzteren Fall wird insbesondere vereinbart, dass im Falle der Scheidung ein Zugewinnausgleich nicht stattfindet. Im Falle des Versterbens bleibt es jedoch bei der Zugewinngemeinschaft. Dies hat sowohl steuerliche als auch erbrechtliche Vorteile.
Der Ehevertrag ermöglicht es den Ehepartnern, individuelle Regelungen zu treffen, die besser zu ihrer Lebenssituation passen. Es ist ratsam, sich bei der Gestaltung eines Ehevertrags von einem erfahrenen Anwalt beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Aspekte berücksichtigt werden.
Welche Rolle spielen Anwälte im Zugewinnausgleich?
Anwälte spielen eine wichtige Rolle im Zugewinnausgleich, insbesondere wenn es zu Streitigkeiten über die Berechnung des Zugewinns oder die Bewertung von Vermögenswerten kommt. Ein Anwalt kann:
- Beratung und Aufklärung bieten: Anwälte klären über die rechtlichen Grundlagen und individuellen Möglichkeiten des Zugewinnausgleichs auf.
- Vermögensaufstellungen erstellen: Anwälte helfen bei der Zusammenstellung und Bewertung von Vermögenswerten und Schulden.
- Verhandlungen führen: Bei Uneinigkeiten zwischen den Ehepartnern können Anwälte in Verhandlungen treten, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.
- Gerichtliche Vertretung: Wenn keine Einigung erzielt wird, vertreten Anwälte ihre Mandanten auch vor Gericht, um deren Interessen durchzusetzen.
Ein erfahrener Scheidungsanwalt kann somit dazu beitragen, dass der Zugewinnausgleich fair und rechtlich korrekt erfolgt.
Fazit
Die Zugewinngemeinschaft ist der gesetzliche Güterstand, der automatisch mit der Eheschließung in Kraft tritt, sofern die Ehepartner keinen anderen Güterstand vereinbaren. Bei einer Scheidung wird der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs ausgeglichen.
Der Zugewinnausgleich muss jedoch gefordert werden. Der Ausgleich läuft nicht automatisch. Besondere Vermögenswerte, wie Erbschaften und Schenkungen bleiben außen vor, und Schulden werden in der Regel vom Zugewinn abgezogen.
Tipps für Ehepaare zur Vorbereitung auf den Fall einer Scheidung
- Frühzeitige Beratung: Lassen Sie sich frühzeitig von einem Fachanwalt für Familienrecht beraten. Eine fundierte Rechtsberatung kann Missverständnisse vermeiden und Klarheit über Rechte und Pflichten schaffen.
- Ehevertrag in Betracht ziehen: Ein notariell beurkundeter Ehevertrag kann individuelle Regelungen zur Vermögensaufteilung enthalten und den Zugewinnausgleich klar definieren.
- Vermögensaufstellung erstellen: Führen Sie regelmäßig eine detaillierte Aufstellung Ihres Vermögens und Ihrer Schulden. Dies erleichtert die Ermittlung des Anfangs- und Endvermögens im Falle einer Scheidung und sorgt für Transparenz.
- Erbschaften und Schenkungen dokumentieren: Halten Sie Erbschaften und Schenkungen schriftlich fest und bewahren Sie entsprechende Dokumente auf. Dies hilft, diese Vermögenswerte klar als persönliches Anfangsvermögen zu identifizieren.
- Finanzplanung und Absicherung: Besprechen Sie regelmäßig Ihre finanzielle Situation und planen Sie gemeinsam für die Zukunft. Eine klare Finanzplanung kann helfen, Streitigkeiten im Falle einer Scheidung zu minimieren.
- Kommunikation pflegen: Eine offene und ehrliche Kommunikation über finanzielle Angelegenheiten während der Ehe kann viele Missverständnisse und Konflikte vermeiden. Es ist wichtig, dass beide Partner über die finanzielle Situation informiert sind.
Durch die Beachtung dieser Tipps können Ehepaare besser auf den Fall einer Scheidung vorbereitet sein und eine faire und transparente Vermögensaufteilung sicherstellen.