Doch im Fall einer Trennung stellen sich dann viele Fragen: Wer behält das Haus? Wie wird der Unterhalt geregelt? Was geschieht mit dem gemeinsamen Eigentum?
Dieser Artikel erklärt Ihnen umfassend, was Sie bei einer Scheidung ohne Ehevertrag wissen und beachten sollten. Sie erfahren, wie das Vermögen aufgeteilt wird, welche Rechte und Pflichten bestehen und welche Tipps Ihnen helfen können, den Prozess so reibungslos wie möglich zu gestalten.
Was bedeutet eine Scheidung ohne Ehevertrag?
Eine Scheidung ohne Ehevertrag bedeutet, dass die gesetzlichen Regelungen greifen, da kein Vertrag individuelle Regelungen zur Vermögensaufteilung, Unterhalt oder Altersvorsorge festgelegt hat.
In Deutschland gilt für Ehepaare ohne Ehevertrag der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dies bedeutet, dass beide Ehepartner ihr eigenes Vermögen behalten, jedoch ein Ausgleich stattfindet für den während der Ehe erwirtschafteten Zugewinn.
Viele Paare verzichten auf einen Ehevertrag, weil sie sich zu Beginn der Ehe nicht mit Trennungsszenarien auseinandersetzen möchten oder davon ausgehen, dass die gesetzliche Regelung ausreicht.
Eine Scheidung ohne Ehevertrag greift auf die gesetzlichen Regelungen zurück, die auf Fairness abzielen und sicherstellen sollen, dass kein Partner benachteiligt wird.
Vermögensaufteilung ohne Ehevertrag
Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft bleibt das Vermögen beider Ehepartner getrennt. Jedoch erfolgt im Falle einer Scheidung ein Zugewinnausgleich, der den in der Ehe erwirtschafteten Zugewinn zwischen den Partnern ausgleicht.
Der Zugewinnausgleich wird gemäß § 1378 BGB berechnet und dient der fairen Aufteilung des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens.
Wie funktioniert der Zugewinnausgleich?
- Berechnung des Zugewinns: Der Zugewinn ist die Differenz zwischen dem Vermögen zu Beginn und dem Vermögen am Ende der Ehe. Vermögenswerte, die bereits vor der Ehe vorhanden waren, zählen zum Anfangsvermögen. Auch Schenkungen und Erbschaften fallen unter das Anfangsvermögen und werden dort im Zugewinnausgleich berücksichtigt.
- Zugewinnausgleich: Der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz an den anderen Partner zahlen.
Beispielrechnung:
Ehepartner A hatte ein Anfangsvermögen von 10.000 € und ein Endvermögen von 50.000 €, sodass sein Zugewinn 40.000 € beträgt. Ehepartner B begann die Ehe mit 5.000 € und hatte am Ende ein Vermögen von 25.000 €, was einen Zugewinn von 20.000 € ergibt. Da die Differenz zwischen den Zugewinnen 20.000 € beträgt, müsste Ehepartner A 10.000 € an Ehepartner B zahlen.
Besonderheiten bei Immobilien und Schulden
- Immobilien: Immobilien werden oft zum Streitpunkt, da sie meist das größte Vermögen darstellen. Bei einer Scheidung kann ein Verkauf nötig sein, wenn beide Ehepartner Ansprüche auf den Wert geltend machen.
- Schulden: Verbindlichkeiten, die während der Ehe gemeinsam aufgenommen wurden, sollten geteilt werden, jedoch bleibt die Verantwortung für private und eigene Schulden beim jeweiligen Ehepartner.
Unterhalt nach der Scheidung
Im deutschen Recht gibt es für Paare ohne Ehevertrag gesetzlich geregelte Unterhaltsansprüche. Hierbei wird zwischen Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt unterschieden.
Trennungsunterhalt
Während des Trennungsjahres, in dem das Paar getrennt lebt, bis grundsätzlich zur Rechtskraft der Scheidung kann ein Ehepartner Anspruch auf Trennungsunterhalt haben, wenn ein Einkommensunterschied besteht. Der Unterhalt soll den bisherigen Lebensstandard während der Trennungszeit sichern.
Berechnung des Trennungsunterhalts
Nach der Trennung besteht Anspruch auf Trennungsunterhalt, der den bisherigen Lebensstandard sichern soll.
Beispiel:
- Einkommen von Partner A: 3.000 € bereinigt netto pro Monat
- Einkommen von Partner B: 1.200 € bereinigt netto pro Monat
Berechnung des Bedarfs und Unterhaltsanspruchs:
- Gesamteinkommen:000 € + 1.200 € = 4.200 €
- Bedarfsermittlung (3/7-Regel): Da Partner A mehr verdient, wird sein Bedarf aus dem Einkommen von Partner B berechnet:
- Bedarf Partner B: (3/7 von Differenz: 3.000 € – 1.200 €) = 771,43 €
- Ergebnis: Partner B hat somit einen Unterhaltsanspruch von 771,43 € pro Monat an Trennungsunterhalt.
Nachehelicher Unterhalt
Der nacheheliche Unterhalt dient der finanziellen Absicherung nach der Scheidung. Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist in den §§ 1570–1580 BGB geregelt und orientiert sich an den Lebensverhältnissen der Ehezeit.
Anspruch auf diesen Unterhalt haben Partner, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, z. B.:
- Betreuung gemeinsamer Kinder
- Alter, Krankheit oder eingeschränkte Erwerbsfähigkeit
- Erwerbsobliegenheit und lange Ehezeiten
- Geringeres Einkommen, also Aufstockungsunterhalt
Berechnung des Nachehelichen Unterhalts
Die Höhe und die Dauer der Zahlung des nachehelichen Unterhalts hängt unter anderem von verschiedenen Faktoren wie der Dauer der Ehe, dem Einkommen beider Partner und eventuellen Betreuungsbedarfen der Kinder ab.
Falls Partner B nach der Scheidung aufgrund von Kinderbetreuung oder gesundheitlichen Gründen nicht selbst für den Lebensunterhalt sorgen kann, kann unter Umständen ein nachehelicher Unterhalt beansprucht werden. Die Berechnung erfolgt in ähnlicher Weise. Hier ist aber auch die Dauer der Ehe von Belang.
Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich gleicht die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften und Altersvorsorgeansprüche zwischen den Partnern aus. Ziel ist es, dass beide Partner im Alter finanziell abgesichert sind.
- Aufteilung der Rentenansprüche: Alle Rentenanwartschaften, die während der Ehe erworben wurden, werden im Versorgungsausgleich berücksichtigt und aufgeteilt. Auch private Altersvorsorgen und Betriebsrenten fließen in den Ausgleich ein. Alles, was mit Altersvorsorge zu tun, wird im Versorgungsausgleich in der Regel berücksichtigt.
- Ausschluss des Versorgungsausgleichs: Unter bestimmten Umständen, z. B. bei kurzen Ehen oder gegenseitigem Verzicht, kann der Versorgungsausgleich unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden.
Sorgerecht und Umgangsrecht
Das Sorgerecht und das Umgangsrecht bleiben in der Regel unberührt, wenn kein Ehevertrag vorliegt. Beide verheiratete Elternteile haben üblicherweise das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder. Das Umgangsrecht regelt, wie oft der nicht betreuende Elternteil das Kind sehen darf, und basiert immer auf dem Kindeswohl.
Das Umgangsrecht steht gemäß § 1684 BGB dem nicht betreuenden Elternteil zu und stellt sicher, dass das Kind regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen hat.
- Gemeinsames Sorgerecht: Auch nach der Scheidung bleiben beide Elternteile berechtigt, Entscheidungen zum Wohl des Kindes gemeinsam zu treffen, es sei denn, es gibt Gründe, die unter Umständen ein alleiniges Sorgerecht rechtfertigen könnten. Dann müsste ein entsprechendes Verfahren eingeleitet werden.
- Umgangsrecht: Kinder haben das Recht auf regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen, um unter anderem emotionale Stabilität zu gewährleisten.
Die Rolle des Trennungsjahres
Das Trennungsjahr ist gesetzlich vorgeschrieben und dient gemäß § 1565 BGB als Bedenkzeit, um eine endgültige Entscheidung über die Scheidung zu treffen. Es ermöglicht eine wohlüberlegte Entscheidung über die Scheidung und gibt Raum für die Regelung praktischer und rechtlicher Fragen.
- Unterhalt während der Trennung: Der Trennungsunterhalt sichert den Lebensstandard und ermöglicht beiden Partnern, sich auf die neue Situation einzustellen.
- Konfliktbewältigung und Klärung: Das Trennungsjahr bietet die Möglichkeit, in Ruhe und mit Abstand eine Einigung über die Scheidungsfolgen zu finden.
Scheidungskosten ohne Ehevertrag
Die Scheidungskosten setzen sich aus Gerichtskosten und Anwaltsgebühren zusammen und richten sich nach dem Verfahrenswert, der grundsätzlich anhand des Einkommens der Partner berechnet wird. Bei einvernehmlicher Scheidung können die Kosten jedoch unter Umständen reduziert werden.
Beispielkalkulation:
Ein Streitwert von 30.000 € führt in der Regel zu Gesamtkosten für eine einvernehmliche Scheidung mit Versorgungsausgleich ohne weitere streitige Folgesachen von etwa 3.000 bis 4.000 €.
Praktische Tipps für eine Scheidung ohne Ehevertrag
- Finanzplanung: Eine vollständige Übersicht über Vermögen und Schulden sorgt für Klarheit und kann Grundlage für die Berechnung des Zugewinnausgleichs sein.
- Mediation: Ein Mediator kann bei der gütlichen Einigung über das Vermögen und andere Punkte helfen, um Konflikte zu vermeiden.
- Anwaltliche Beratung: Ein erfahrener Scheidungsanwalt klärt Sie über Ihre Rechte und Pflichten auf und schützt Ihre Interessen während des Scheidungsprozesses.
- Selbstfürsorge: Psychologische Unterstützung und Selbsthilfegruppen helfen, die emotionale Belastung zu bewältigen.
Eine gute Planung und der Rat von Fachleuten sind der Schlüssel, um die Scheidung geordnet und konfliktarm zu gestalten.
Fazit: Chancen und Herausforderungen
Eine Scheidung ohne Ehevertrag kann bedeuten, dass die gesetzlichen Regelungen greifen, um eine faire Verteilung des Vermögens, der Altersvorsorge und des Unterhalts zu gewährleisten. Wenn beide Partner frühzeitig kommunizieren und sich professionell unterstützen lassen, kann der Prozess geordnet und ohne unnötige Konflikte verlaufen.
Wir weisen darauf hin, dass dieser Artikel keine rechtliche Beratung ersetzt. Es ist stets der Einzelfall nebst der jeweiligen Sach- und Rechtslage maßgeblich. Um Ihren konkreten Fall prüfen zu können, können Sie gerne einen Beratungstermin vereinbaren, damit wir Ihre Angelegenheit prüfen, besprechen und Sie entsprechend beraten können.