Die Regelungen zum internationalen Familienrecht im 3. Abschnitt des EGBGB bzw. in der Rom III-Verordnung sehen vor, dass grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden ist, auf dessen Territorium sich die beiden scheidungswilligen Parteien aufhalten oder zuletzt gemeinsam aufgehalten haben. Verlässt einer der italienischen Eheleute das Land vor Einleitung des Scheidungsverfahrens, bleibt das deutsche Recht unabhängig von den Staatsangehörigkeiten der Eheleute grundsätzlich anwendbar, sofern beide zuvor in Deutschland zusammengelebt hatten und einer noch immer in Deutschland lebt. Der aussiedelnde Ehepartner darf jedoch nicht länger als 1 Jahr nach Einreichung der Scheidung bereits im Ausland leben.

Wahlmöglichkeiten für EU-Bürger

Seit der Einführung der „Rom III“-Regelungen der EU gibt es neben der obigen Zuständigkeitsregelung ein Wahlrecht für die Eheleute. Sind sie sich vor der Scheidung einig, können sie statt deutschem Familienrecht auch das italienische Scheidungsrecht wählen, wenn mindestens einer von ihnen italienischer Staatsbürger ist. Soll in Deutschland eine Ehescheidung nach italienischem Recht durchgeführt werden, ist neben einem persönlichen Bezug zu Italien eine gemeinsame schriftliche Erklärung erforderlich, die von einem Notar beglaubigt wurde.

Regelungen über das Sorgerecht, das Umgangsrecht und den Kindesunterhalt werden dagegen von der Wahlfreiheit im Familienrecht nicht erfasst, da sich die Regelungen, die hauptsächlich das Wohl des Kindes betreffen, stets nach den Vorschriften des Landes richten, in dem sich das Kind aufhält.

Sowohl in Italien als auch in Deutschland besteht die Verpflichtung, Kindesunterhalt nach Bedarf und nach Leistungsfähigkeit zu zahlen. In Italien haben leibliche Eltern in wichtigen Fragen auch dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn sie das Sorgerecht nicht ausüben. Das Umgangsrecht wird großzügig auf Familienmitglieder ausgeweitet.

In Italien gilt zudem im Gegensatz zu Deutschland der gesetzliche Güterstand der „Gütergemeinschaft“, die tatsächlich jedoch in vielen Punkten der deutschen Zugewinngemeinschaft ähnelt. Für die Anwendung von italienischem Familienrecht vor deutschen Gerichten könnte sprechen, dass Scheidungsverfahren seit der italienischen Familienrechtsreform von 2015 oft schneller abgewickelt werden können. Vor einer einverständlichen oder einvernehmlichen Scheidung ist nur noch eine 6-monatige Trennungszeit erforderlich. In einem streitigen Verfahren kann der Scheidungsantrag nach 12 Monaten Trennung gestellt werden. Nach italienischem Recht muss die Trennung jedoch gerichtlich erfolgen. Erst danach beginnt die Trennungszeit zu laufen.

Versorgungsausgleich im italienischen Familienrecht unbekannt

Der Versorgungsausgleich als Scheidungsfolgesache ist in Italien unbekannt.
In Deutschland gehört der Ausgleich von während der Ehe gesammelten Renten- und Versorgungsleistungen zu den notwendigen Folgesachen jedes Scheidungsverfahrens und kann nur unter Beachtung besonderer Formvorschriften vollständig ausgeschlossen werden. Haben Ehepartner während einer langjährigen Ehezeit in unterschiedlichem Umfang sozialversicherungspflichtig gearbeitet und hat dabei einer von ihnen im Durchschnitt mehr verdient als der andere, könnte es für den Geringverdienenden einen erheblichen Nachteil bedeuten, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten.

Renten- und Versorgungsanwartschaften werden in Italien bei einer Scheidung nicht aufgeteilt. Jeder Ehegatte kann später nur die Versorgungsleistungen beanspruchen, die er selbst erworben hat. Zum Ausgleich bleibt dem ohne Schuld geschiedenen Ehepartner in Italien ein Teil seines Erbanspruches erhalten und es kann bei entsprechender Bedürftigkeit eine Hinterbliebenenrente verlangt werden.

Nach deutschem Recht erlöschen mit der Rechtskraft der Scheidung alle Erbansprüche und Versorgungsansprüche, soweit sie nicht vorher im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragen worden sind.

Lebensstandard von Geschiedenen durch Unterhalt langfristig gesichert

Das deutsche Familienrecht unterscheidet zwischen „Ehegattenunterhalt“ während der Trennung und „nachehelichem Unterhalt“ nach der Durchführung der Scheidung. Es gilt das Prinzip der gesteigerten Eigenverantwortung: Je länger die Trennung des Paares besteht, desto mehr Einsatz wird dem unterhaltsberechtigten Ehegatten für die eigene wirtschaftliche Existenzsicherung abverlangt. Ist die Ehe rechtskräftig geschieden, wird Ehegattenunterhalt nur noch unter strengen Voraussetzungen geschuldet.

Dagegen ermöglicht es das italienische Scheidungsrecht einem schuldlos geschiedenen Ehegatten eher, den während der Ehe gewöhnten Lebensstandard durch Unterhaltsforderungen zu erhalten.

Dabei wird kein Unterschied zwischen einer Trennung bei fortbestehender Ehe oder einer rechtskräftig geschiedenen Ehe gemacht. Ist der vermögendere bzw. besser verdienende Ehegatte zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verpflichtet, so erlischt dieser Anspruch erst mit einer Wiederverheiratung des unterhaltsberechtigten ehemaligen Ehepartners. Die Höhe des geschuldeten Unterhalts wird jeweils nach Angemessenheit vom Richter berechnet. Obergrenze sind 50 % des vom Zahlungspflichtigen erzielten Einkommens. Bleibende Bemessungsgrundlage ist der Lebensstandard der Eheleute vor der Trennung.

Bei Ehen mit ungleich verteiltem Einkommen ist die Interessenlage hinsichtlich der Wahl des Scheidungsrechts gespalten. Für den Unterhaltsberechtigten ist oftmals das Recht Italiens vorteilhafter, wohingegen der besserverdienende Ehegatte aus wirtschaftlichen Gründen unter Umständen das deutsche Recht bevorzugen wird. Während der Unterhaltszahler in Deutschland nach rechtkräftiger Scheidung und nach Ablauf einiger Jahre verlangen kann, dass sich der ehemalige Ehegatte mit eigener Arbeit seinen Lebensunterhalt selbst verdient, muss er In Italien auf eine eventuelle Wiederheirat des früheren Partners warten und hoffen.