Wer wird zur Kernfamilie gezählt?
Die Bevölkerung wird derzeit dazu aufgefordert, sich im Sinne eines Social Distancing zu verhalten. Das bedeutet, soziale Kontakte sollen so gut wie möglich vermieden werden. Lediglich der sogenannten „Kernfamilie“ wird ein besonderer Schutz zugewiesen.
Zeit mit der Familie zu verbringen, mit der man zusammenlebt, ist ausdrücklich erlaubt. Doch welche Personen zählen eigentlich zur Kernfamilie und wie verhält es sich mit Elternteilen, mit denen man nicht unter einem Dach lebt? Gibt es Einschränkungen in Hinblick auf ihren Umgang mit den Kindern oder sogar eine Umgangsverweigerung?
Der Begriff der Kernfamilie hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark gewandelt. Nicht nur die klassische „Vater, Mutter, Kind“-Familie wird von diesem Begriff erfasst, sondern auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, alleinerziehende Eltern und getrennt lebende Elternteile.
Kann der Umgang während der Corona Krise eingeschränkt werden?
Ob die Umgangsregelungen jedoch genauso wie vor der Corona Krise weitergeführt werden, hängt von mehreren Gesichtspunkten ab, die gegeneinander abgewogen werden müssen.
Gehört das Kind oder ein Mitglied der Familie einer Risikogruppe an? Muss der öffentliche Nahverkehr genutzt werden, damit das Kind und der betreffende Elternteil sich sehen können? Arbeitet einer der Elternteile in einem systemrelevanten Beruf und wie einschneidend wäre es für den umgangsberechtigten Elternteil, für eine absehbare Dauer auf den Umgang mit dem Kind zu verzichten?
Oder zeigt ein Elternteil sogar Verhaltensweisen, die Zweifel an seinem vernünftigen Umgang mit der Corona Pandemie aufkommen lassen?
All diese Faktoren müssen in die Überlegungen mit einbezogen werden, ob und wie die Umgangsregelungen angepasst werden oder sollen oder ob sogar eine zweitweise Umgangsverweigerung gerechtfertigt ist.
Umgangsverweigerung darf nicht leichtfertig entschieden werden
Dem anderen Elternteil den Umgang mit dem Kind nur aufgrund der allgemeinen „Corona-Lage“ zu verwehren, ist nicht rechtmäßig. Es müssen schon konkrete Gefährdungen des Kindeswohls vorliegen oder Risikogruppen im selben Haushalt leben, um eine Umgangsverweigerung als verhältnismäßig erscheinen zu lassen.
Diese Verhältnismäßigkeit der Umgangsverweigerung ist nur dann gegeben, wenn keine Gestaltung des Umgangsrechts denkbar ist, die ohne Gesundheitsrisiko der direkt beteiligten Personen durchgeführt werden kann. Der allgemeine Schutz der Gesellschaft reicht als Rechtfertigungsgrund für eine Umgangsverweigerung nicht aus.
Da das Recht auf Umgang mit den Kindern vom Grundgesetz geschützt wird, sollte dieses Recht nicht leichtfertig eingeschränkt werden. Es kann allerdings über eine „freiwillige“ Umgangsverweigerung nachgedacht werden, um ein potentielles Ansteckungsrisiko zu verringern. Bislang gibt es noch keine Präzedenzentscheidungen, die Richtlinien zur Umgangsverweigerung bei einer Pandemie liefern. Doch erste Fälle dürften die Gerichte wohl schon bald beschäftigen.